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AUTOMOTIVE UX, AUTONOMOUS DRIVING, CONNECTIVITY, GAMIFICATION

Haptische Gewissheit vs. digitale Verlockung: Der Kampf um die besten Bedienelemente im Auto

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5. Dez. 2025

Schaut man in Kommentarspalten auf Social Media, scheint eines klar: Autofahrer vermissen ihre haptischen Knöpfe im Auto schmerzlich. Diese gefühlte „Touch-Müdigkeit" war für unsere Kollegen Jan Panhoff und Maffee Peng Hui Wan der Anlass, sich in ihrem Vortrag auf der UXMC 2025 intensiv mit dem Thema zu beschäftigen.


Seit der Einführung des ersten Touchscreens in der Mittelkonsole tobt eine fundamentale Debatte unter Automobilherstellern, UX-Designern und den Fahrern: Geht es um Sicherheit, Ästhetik oder schlicht um Gewohnheit? Die Evolution des Human-Machine Interface (HMI) im Auto ist in vollem Gange und führt uns zurück zu der Frage: Was genau bedeutet Vertrauen in der digitalen Ära des Fahrens?


Von der Haptik zur Hyper-Digitalisierung: Eine kurze Geschichte der Steuerung

Erinnern Sie sich an das klassische Cockpit? Jeder Drehknopf, jeder Schalter hatte seine feste, erlernte Position. Die Bedienung erfolgte blind und intuitiv. Die Hand fand den Lautstärkeregler oder die Klimasteuerung, während der Blick des Fahrers dort blieb, wo er hingehört: auf die Straße. Das ist, was wir als "Tactile Certainty" (haptische Gewissheit) bezeichnen.


Mit dem Aufkommen großer, hochauflösender Displays (getrieben vom sogenannten "Tesla-Effekt") begann die Transformation. Inspiriert vom Smartphone, zogen die Hersteller das "Complete Digital Control"-Konzept in die Fahrzeuge. Die Verlockung war groß: Ein Bildschirm ist flexibel, kann sich dynamisch anpassen und ermöglicht es, das Cockpit zu personalisieren. Das Auto wurde zum digitalen Life-Management-Device, wie wir in diesem Blogartikel schon erläutert haben.


Harte Fakten: Der "Blindflug" auf der Autobahn

So elegant die digitalen Cockpits auch wirken, die Realität des Fahrens stellt sie vor ein ernstes Dilemma: Ablenkung.


Das Bedienen eines Touchscreens während der Fahrt bindet wertvolle visuelle und kognitive Ressourcen. Zahlreiche Studien belegen das dramatische Ablenkungspotenzial:

  • Die Vi Bilägare Studie (2022): Ein schwedisches Automagazin testete die Dauer, die Fahrer für simple Aufgaben (z.B. Temperatur erhöhen, Radio abstimmen) in verschiedenen Autos benötigten. Das Ergebnis war eindeutig: Im besten Fall (ein älterer Volvo mit physischen Knöpfen) benötigte der Fahrer rund 10 Sekunden und legte bei 110 km/h etwa 300 Meter zurück. Im schlechtesten Fall (einem modernen E-Auto mit Touch-zentrierter Steuerung) benötigte der Fahrer über 44 Sekunden, in denen er eine Blindfahrt von über 1,3 Kilometern zurücklegte. (Quelle: Physical buttons outperform touchscreens in new cars, test finds - Vi Bilägare)

  • Allianz Zentrum für Technik (AZT): Untersuchungen zeigen, dass die Nutzung des Bordcomputers das Unfallrisiko um etwa 50 Prozent steigert. Die Bedienung des Touchscreens verlängert die Reaktionszeit um bis zu 57 Prozent, ein Wert, der mit der Nutzung eines Handys am Steuer vergleichbar ist. (Quelle: Moderne Kommunikationsmittel lenken Autofahrer zu stark ab | springerprofessional.de)


Der Grund ist simpel: Physische Knöpfe erlauben das Bedienen per Muskelgedächtnis. Der Touchscreen zwingt den Fahrer, den Blick von der Fahrbahn abzuwenden.


Die Hersteller-Argumente: Der Irrtum vom Ende der Knöpfe

Trotz der Sicherheitsbedenken bleiben Touchscreens attraktiv für Hersteller (Kosten, Design-Flexibilität, Updatefähigkeit). Doch die Entwicklungsrichtung scheint sich zu korrigieren. Die WELT brachte es auf den Punkt: "Auto-Cockpit: Der Irrtum vom Ende der Knöpfe und Hebel im Auto" (Quelle: Auto-Cockpit: Der Irrtum vom Ende der Knöpfe und Hebel im Auto - WELT).


Hersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz und Hyundai reagieren auf die massive Kundenkritik und die belegten Usability-Nachteile. Sie planen oder führen bereits bei neuen Modellen eine Rückkehr zu mehr physischen Schaltern und Tasten ein. Der Trend geht weg von der reinen Ästhetik hin zur ergonomischen Notwendigkeit.


Vertrauen ist nicht universell: Kulturelle Unterschiede im HMI-Erleben

Die Annahme, dass die Migration von physischen zu digitalen Bedienelementen, die sogenannte Universal Trust Migration, in allen Märkten gleich schnell verläuft, ist ein Trugschluss. Das Vertrauen in eine Technologie ist nicht nur eine Frage der Usability, sondern zutiefst kulturell und historisch geprägt.


  • Fahrerstruktur und Gewohnheit: In Deutschland ist die Fahrzeugflotte deutlich älter als in China. Laut Kraftfahrt-Bundesamt lag das Durchschnittsalter deutscher PKW Anfang 2024 bei 10,3 Jahren: ein historischer Höchstwert. In China hingegen beträgt das Durchschnittsalter der Fahrzeuge nur rund 6,6 Jahre. Das bedeutet: Viele deutsche Fahrer interagieren täglich mit klassischen, haptischen Bedienelementen und das seit Jahren.

  • Gewohnheiten und schlechte Erfahrungen: Diese tief verankerten Gewohnheiten machen es schwieriger, Vertrauen in rein digitale Bedienkonzepte aufzubauen. Die Tactile Certainty ist hier nicht nur Präferenz, sondern über Jahrzehnte erlerntes Verhalten. Hinzu kommt: Viele deutsche Fahrer haben Sprachsteuerung bereits vor Jahren kennengelernt, als die Technologie noch unausgereift und fehleranfällig war. Diese frühe Enttäuschung prägt bei vielen bis heute eine grundsätzlich skeptische Haltung gegenüber sprachbasierten Systemen.

  • Innovationsgeschwindigkeit: In Märkten mit einer rasanteren Digitalisierung (wie China) ist die Akzeptanz neuer Technologien höher. Der Nutzer erwartet hier oft die Hyper-Digitalisierung und sieht im Touchscreen ein Symbol für Modernität und Premium-Erlebnis.


Diese aufschlussreiche kulturvergleichende Studie unserer Kollegen Jan Panhoff und Maffee Peng Hui Wan zeigt: Die Wahrnehmung von Zuverlässigkeit, Kontrolle und der Umgang mit potenziellen Fehlern im Interface unterscheiden sich signifikant. Designstrategien müssen daher lokal angepasst werden.


Haptisches Feedback: Der digitale Rettungsanker?

Um die Sicherheitslücke zu schließen, setzt die Industrie auf Aktives Haptisches Feedback. Hochspezialisierte Aktuatoren im Display erzeugen ein fühlbares "Klicken" oder "Anschlagen", das die Augen entlasten soll. Doch dieser Ansatz greift zu kurz.


Das Problem: Haptisches Feedback allein löst das Grundproblem nicht. Wenn Bedienelemente nur kontextabhängig auf dem Screen erscheinen, muss der Fahrer sie erst visuell suchen, bevor er sie bedienen kann. Selbst bei fest positionierten Touch-Elementen zeigt die Praxis Schwächen: Die Klimasteuerung im VW ID.3 etwa ist zwar immer an derselben Stelle verfügbar, liefert aber so wenig haptisches Feedback, dass Nutzer im Handling Probleme haben.


Die Lösung liegt in der Kombination: Bedienelemente müssen blind fühlbar sein, ein deutliches haptisches Feedback geben und an einer konsistenten Position dauerhaft verfügbar sein. Fehlt eine dieser Komponenten, bleibt der Sicherheitsgewinn aus. Und bei aller Design-Argumentation sollte nicht vergessen werden: Der Haupttreiber für großflächige Touchscreens ist oft schlicht die Kostenersparnis gegenüber physischen Schaltern.


Die Lehre aus der Luftfahrt und die Euro NCAP-Vorgabe

Wenn es um kritische Bedienung und Sicherheit geht, herrscht ein klares Mischkonzept, wie es in der Luftfahrt seit Langem praktiziert wird: Displays für Information und komplexe Konfiguration, Knöpfe für die unmittelbare Kontrolle.


Dieser Ansatz bestätigt auch die Euro NCAP-Regulierung: Ab 2026 wird eine Fünf-Sterne-Bewertung nur noch vergeben, wenn die wichtigsten, sicherheitsrelevanten Funktionen (Blinker, Hupe, Scheibenwischer, eCall) über physische Bedienelemente angesteuert werden können. (Quelle: Poor Automotive HMI Design to Impact Euro NCAP Safety Rating - EE Times Europe)


Der Weg nach vorn: Intelligentes Design statt Dogmatismus

Die Zukunft liegt nicht im Entweder-oder, sondern in der intelligenten Fusion von Touch, Haptik und Mechanik. UX-Designer müssen abwägen: Welche Funktion benötigt Tactile Certainty und welche die Flexibilität eines digitalen Menüs?


Der Schlüssel zur Akzeptanz ist die Beantwortung der fundamentalsten Frage: "Kann ich diesem System vertrauen, wenn es darauf ankommt?" Dieses Vertrauen entsteht nur, wenn das Interface die kognitive Belastung des Fahrers konsequent senkt, anstatt sie zu erhöhen.


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Die tiefgreifenden Insights und die Forschungsergebnisse, die zeigen, wie kulturelle Unterschiede das Vertrauen in Touch-Systeme messbar beeinflussen, haben Jan Panhoff und Maffee Peng Hui Wan in ihrem Vortrag „Touch, Trust and Transformation" auf der UXMC 2025 präsentiert.

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uintent

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